Über den Mainzer Viehzüchter Jucundus:

(Grabinschrift: So hatte ihm der Main genommen, was er dem Herrn gestohlen hatte)

 

 Freiheit und Tod

Er war der Sklave seines Herrn

und mochte das nicht länger sein,

mit jäher Wut trieb er das Messer rein.

 

Ein schneller Rausch der Rachelust,

Vergeltung für den Raub der Würde,

trägt er des Mordes schwere Bürde.

 

Kopfüber von der steinern Bück.

stürzt er hinab in dunkle Flut.

So nahm der Main ihm was er selber stahl:

Was hat ein Mensch der Sklave ist an Wahl?

Glückwunsch zum Fünfzigsten

Wem alles hat!

Dem nur an Zeit gebricht – allmählich,

na und das Gliederreißen.

 

Man hat fast mehr, als man verschmerzen kann –

zum Glück – die Puschen, Ohrensessel,

Haus, Frau und Kind und guten Wein im Keller.

 

Doch ach dem Gott,

die Zeiten werden immer schneller.

Die ersten fünfzig sind geschafft.

 

Jetzt gilt es tapfer weiter leben,

und ja nicht allzu bald

als Engelein hinweg zu schweben.

 

Geburtstagsüberraschunggast

Vor dem Fenster diese Krähen,

wie sie finster Tage zählen!

Sind es deine sind es meine?

Bleiern gießt das Winterlicht,

dunkle Schatten ins Gesicht,

Gicht geplagt sind schon die Beine.

 

Sind die Würfel schon gefallen?

Fledermaus und Nachtigallen?

Spät ist schon der Lebenstag.

Rastafa und Wirtshaustrank

machten mich ganz blass und krank,

ach ich fühl mich nicht mehr stark.

 

Hei wer klingelt an der Pforte?

Steht mit einer großen Torte

da als Überraschungsgast?

Lässig hält er seine Sense,

oben höhnen wild die Gänse:

„schön das Du Geburtstag hast!“

Noch nicht so weit

Da draußen fegt der Wind

durchs weite Tal des Lebens.

Der Blutmond hängt verloren

im Dunkel nackter Zweige

und jede Hoffnung ist vergebens.

 

Da draußen treibt der Schnee

die Vögel aus den Landen.

Das Schicksalsschiff hält stur

den Kurs in Richtung  Nord,

wird irgendwann dort stranden.

 

Hier drinnen pures Wohlbehagen,

noch rieselt Lebenssand im Glas.

Rutsch näher, lass uns Leben machen,

das Schicksal brüllt

noch früh genug: „Das wars“!

Erinnerung

Im dunklen Treibsand meiner Vorgeschichte,

blitzten hin und wieder windentblößt

Juwelen der Erinnerung.

 

Es ist nicht viel, was noch ans Lichte drängt,

Zu viele dunklen Narben in der Rinde.

Das macht die Perlen umso reicher.

 

Noch nicht einmal der harte Strom der Zeit

vermochte diesen zarten Glanz

durch hässliche Vergesslichkeit zu trüben.

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