„SoftGene – wie die Evolution unsere Kultur hervorbringt.“

Exkurse zum Hauptteil: Logik und äußere Realität

Logik-Exkurs

Es ist die wohl erstaunlichste Tatsache dieser Welt, dass wir ihre Gesetzmäßigkeiten verstehen können. Und das Universum lässt sich nicht nur verstehen, sondern sogar berechnen. Die Mathematik, die uns diese Berechnungen erlaubt, hat sich in einzelnen Schritten vom einfachsten Kalkül bis zu den kompliziertesten mathematischen Sätzen entwickelt. Dabei baut die gesamte Mathematik auf ein paar Grundbausteinen in einer ununterbrochenen Folge aufeinander auf. Jeder Schritt hin zu höherer Komplexität folgt genau festgelegten Regeln, der formalen Logik. Bei solchen lückenlosen Beweisketten gibt es nun ein grundlegendes Problem, das als Ur-Mantra der formalen Logik gelten kann: „Aus etwas Falschem folgt immer etwas Richtiges.“

Wenn wir annehmen, dass es Hexen gibt, wird es logisch richtig, anzunehmen, dass sie Dinge tun, ohne dass wir verstehen, wie sie das genau machen. Dann kann man Hexen für den Tod eines Kindes im Dorf verantwortlich machen, von dem man nicht weiß, warum es gestorben ist. Und da man die Seele eines Menschen nur durch seinen Feuertod reinigen kann, wird es logisch richtig, Hexen zu verbrennen.

Mal angenommen, der moderne Hexer Bill Gates plant, die Angst vor einer COVID-19-Infektion dazu zu benutzen, die Bevölkerung zu einer Impfung gegen das SARS-CoV-2-Virus zu zwingen. Die geldgierigen Geschäftsleute rund um den Microsoft-Gründer wollen dabei auch gleich einen winzigen Mikrochip in den Körper injizieren, um die „totale Kontrolle“ über die Menschen zu erhalten. Gates könnte dann seinen lange vorbereiteten Plan zur Entvölkerung der Welt umsetzen. Unter diesen Voraussetzungen ist es nur logisch, sich mit Händen und Füßen gegen eine Impfung zu wehren. Drittes Beispiel: Wenn wir annehmen, dass der Klimawandel ein Mythos von gekauften Wissenschaftlern ist, ist es logisch, gegen jede Politik zu Felde zu ziehen, die die globale Erwärmung eindämmen will.

Es kommt also nicht unbedingt auf die Qualität der logischen Schlussfolgerungen an – die Logik verknüpft lediglich Aussagen miteinander – sondern zunächst und immer auf unsere Grundannahmen, von denen wir ausgehen. Und daher gilt: Der Pfad zur Weisheit führt uns zunächst nicht nach vorn, sondern ganz zurück zu den Wurzeln unseres Denkens und noch tiefer hinab in die Anfänge des Lebens – und dann noch tiefer hinab. Die Naturwissenschaften sind untereinander verknüpft, von der Physik über die Chemie bis zur Hirnforschung. Dasselbe müssen wir auch für die Geisteswissenschaften fordern. Auch diese Wissenschaften können nicht irgendwo bei einem metaphysischen menschlichen Geist ansetzen, sondern sie müssen sich idealer Weise auf die Erkenntnisse der Naturwissenschaften zurückführen lassen.

Wir wissen heute, dass sich das Leben auf der Erde in derselben Weise konstituiert hat, wie die Mathematik. Die Entwicklung des Lebens führte auf der Grundlage einfachster Bausteine und einiger weniger Regeln zu immer komplexeren Organismen. Dabei folgte jeder Schritt hin zu höherer Komplexität einer immanenten chemischen Logik. Und weil das so ist, können wir diese Entwicklung zurückverfolgen bis hin zu den Grundbausteinen der Materie.

Äußere Realität

Unser Verstand und letztlich unser Weltbild formt sich auf der Basis von „Sinnesreizungen und selbstentworfenen Vorstellungen.“[1] Unter Naturwissenschaftlern herrscht ein breiter Konsens darüber, dass eine unabhängige Realität außerhalb des Kopfes existiert, die von unserm Gehirn mehr oder weniger gut rekonstruiert wird. Und so ist es uns nicht gestattet, frei von der äußeren Realität über Physik, Chemie oder Biologie zu spekulieren. Die Erforschung des Kosmos führte zu der Erkenntnis, dass das Universum mathematische Regeln in seinem Aufbau aufweist, dass sich die Materie und die Energie nach physikalischen Gesetzen richten. Wenn dem so ist, folgt: Die Anpassung eines Gehirns an solch ein Universum ist ein Gehirn, dass Mathematik und Physik begreifen kann. Unser Verständnis für Logik, unsere Fähigkeiten, physikalische Gleichungen zu lösen, resultieren dann aus der Anpassung an einen Kosmos, der in sich selbst logisch strukturiert ist und physikalischen Gesetzen gehorcht.

Die Naturwissenschaften verkünden dabei keine absoluten Wahrheiten, sondern sie sind eine Form des vernünftigen Weltzugangs, basierend auf Evidenz, Kausalität, Logik und hinreichend hoher Wahrscheinlichkeit – in der Teilchenphysik wird z.B. eine Standardabweichung von Sigma =5 gefordert. Damit ist gemeint, dass man sich mit einer Wahrscheinlichkeit von einem von 3,3 Millionen Fällen irren könnte.

Evidenz bezeichnet das dem Augenschein nach unbezweifelbar Erkennbare. Unsere Sinne geben uns Auskunft über die Existenz der Dinge, über das Inventar unserer Umwelt. Sie vermittelten uns, dass Dinge hart sein und wir uns mit ihnen weh tun können, wenn wir uns z.B. mit dem Hammer auf den Daumen hauen. Diese Informationen begreifen wir als Evidenz, als ausprobierbar und beliebig im Alltag wiederholbar, als offensichtlich. Die Evidenz in den Naturwissenschaften wird durch das Experiment belegt, dass unter gleichen Anfangsbedingungen im Idealfall immer zum selben Endergebnis führt. In der Teilchenphysik wird z.B. etwas für gesichert angenommen, wenn das vorliegendes Ergebnis statistisch nur in 1 zu 3,3 Millionen (Sigma = 5) Fällen zufällig entstanden und falsch wäre. Die moderne Medizin basiert ebenfalls zu großen Teilen auf Evidenz, z.B. auf einem Vergleich von einem Medikament gegenüber einem Placebo.

Kausalität vermittelt zwischen Ursache und Wirkung. Sie gibt uns Auskunft z.B. darüber, warum sich etwas bewegt. Sie legt die Abfolge von Ereignissen fest, die nach physikalischen Regeln aufeinander bezogen sind. Kausalität beruht letztlich auf den vier elementaren Wechselwirkungen: der Gravitation, der Elektromagnetik, der Starken und der Schwachen Kernkraft. Insbesondere Kausalitäten zu verstehen, gibt uns einen unschlagbaren Überlebensvorteil, weil Handlungsplanungen auf der Grundlage von Kausalitäten überaus verlässlich sind. Dass Isaac Newton oder später Albert Einstein die Kausalität berechenbar gemacht haben, die aus der Gravitationskraft folgt, erlaubt uns, die Planetenbahnen zu bestimmen oder eine Mondlandung zu planen. Physik und Mathematik zusammen erlaubten uns sogar, zu vermuten, dass es im Universum „schwarze Löcher“ gibt. Erst Jahrzehnte später wurden diese vorhergesagten Himmelskörper von den Astronomen dann tatsächlich entdeckt.

[1] Wilson 2000, S. 83

© Peter-Paul Manzel