„SoftGene – wie die Evolution unsere Kultur hervorbringt.“

Exkurse zum Hauptteil: Ockhams Rasiermesser

Ockhams Rasiermesser

Ein wichtiges Prinzip, sich die Welt rational zu erschließen, ist das Prinzip der Sparsamkeit (lex parsimoniae) – auch Ockhams Rasiermesser (occam´s razor) genannt. Es stammt ursprünglich aus der Scholastik, also aus der Denkweise und der Methodik der Beweisführung der mittelalterlichen Gelehrtenwelt. Das lex parsimoniae verlangt von Hypothesen und Theorien höchstmögliche Einfachheit. Es besagt, dass wir von verschiedenen möglichen Erklärungen für denselben Sachverhalt der einfachsten Theorie den Vorzug geben sollten. Damit einher geht die Forderung der Schnittmengenfreiheit: Es darf auf Dauer keine zwei konkurrierenden Theorien für denselben Untersuchungsgegenstand geben.

Das Parsimonie-Prinzip ist universell: Tiere, die mühseligere Wege der Futtersuche als nötig zurücklegen, haben einen deutlichen evolutionären Nachteil. Von zwei möglichen Wegen von A nach B bevorzugen Lichtquanten wie Menschen i.d.R. den kürzeren Weg. Wirtschaftsunternehmen optimieren ihre Herstellungsprozesse nach dem geringstmöglichen technischen Aufwand (bei gleicher Qualität der Erzeugnisse) – immer ist die höchstmögliche Einfachheit gefragt.

Wenn wir den Menschen nicht als von Gott erschaffen, sondern als biologisches, in die übrige Lebenswelt eingebundenes Wesen ansehen, können wir die Biologie des Menschen nicht an der Grenze zur Kultur als etwas gänzlich Neues begreifen. Dann fordert das lex parsimoniae eine übergreifende Theorie von den Naturwissenschaften hin zu den Kulturwissenschaften mit der Evolutionstheorie als die naheliegende verbindende Theorie. Ich werde zeigen, dass Gene und Kultur des Menschen tatsächlich untrennbar miteinander verwoben sind.

Einen frühen Ansatz in diese Richtung lieferte Richard Dawkins in seinem 1976 erschienenen Werk: „The Selfish Gen“ (deutscher Buchtitel: „Das egoistische Gen“), als er den Begriff des „Mems“ einführte. Der Begriff trat dann aber einen recht merkwürdigen Siegeszug an: Er ist heute Allgemeingut in den sozialen Netzen, hat dabei aber eine etwas andere Bedeutung angenommen, als Dawkins vorschlug. Aber irgendwie klingt der Begriff „Mem“ nach Gen, und folgte damit der Logik des Sparsamkeitsprinzips: Nach Dawkins verhalten sich Gen und Meme ganz ähnlich, insbesondere unterliegen sie in ähnlicher Form der evolutionären Ausformung und Verbreitung.

© Peter-Paul Manzel