Westberliner Zeiten
Hans-Guck-In-Die-Luft
(Berliner Version)
Hans guckte mal wieder
die tollsten Löcher in die Luft
und trat prompt
in einen Haufen Hundescheiße.
Hänsel und Gretel (vorzeitliche Berliner Fassung)
Hänsel und Gretel
verliefen sich im Wald.
Sie kamen an ein Warnschild,
auf dem stand ganz groß:
Halt! – sie verlassen den amerikanischen Sektor!
Da sie beide wussten
dass es im
real existierenden Sozialismus
keine Hexen gibt
und auch
keine Lebkuchen
geschweige denn
ein ganzes Haus davon
suchten sie sich
einen anderen Weg
in ihr
Märchenland
Drei Stufen abwärts
Potsdamer Straße
zwischen ein paar aufdringlichen Mädchen
und einem Tabakladen
geht es drei Stufen in eine kleine Imbissstube runter.
Weißes Licht, zwei vormals weiße Tresentische
zwei ältere Frauen, currywurstfett
in zwei Kitteln von der Farbe
des hier verkauften Kartoffelsalates.
Der Laden ist voll
und eine Frauenstimme keift:
„Ich deine Klöten lecken, pfui Teibel!“
Die eine dicke Wirtin geht dazwischen.
Ich bestelle mir eine Currywurst
und bekomme auch eine Scheibe angetrocknetes Weißbrot dazu.
Die Frau keift.
„der und mich anmachen – Ich kenn Sie gar nicht!“
Am anderen Tisch will einer sehr laut
nicht
mit einer Maschine konkurrieren
(er muss Mist mit der Forke verteilen,
den ein anderer mit einer Motoregge untermischt).
Dann spielen sie am ersten Tisch wieder Skat.
Der, dessen Klöten nicht geleckt wird,
hat nur ein Bein und hockt halb auf einem Mauervorsprung, halb auf seinen Krücken.
Ich zwing mir die Wurst Stück um Stück rein.
Die Frau, die keine Klöten leckt,
fragt: „schmeckt´s?“
Ich sage, es schmecke fein
und denke: „der Hunger treibt’s rein.“
Sie kennt das Leben und sagt:
„Na, der Hunger treibt’s rein“
und lacht verschämt, als hätte sie einen Witz gemacht.
Ein-Bein-Blues, beobachtet
Ich hab nicht mal ihr Gesicht richtig gesehen,
aber es reichte um zu verstehen, dass sie soff.
Es war an so einem verlorenen Nachmittag
Sie war so gigantisch viel Mensch,
dass der Barhocker in ihr verschwand,
wie ein Finger den man in Schaumgummi stupst.
Und als ich dachte,
dass auf einem einzigen von ihren Beinen
die Freiheitsstatue stehen könnte,
guckte ich nach dem anderen Bein,
aber da lehnen nur ein paar Krücken am Tresen.
Sie hat mir nicht richtig leid getan, als ich ging,
weil ich dieses sinnlose Mitleiden irgendwann ausgekotzt habe.
Aber ich lachte,
als ich meinen Schatten auf zwei langen dünnen Beinen
neben mir her staksen sah.
Experiment
Ich lebe in einem Penthouse.
Rund herum um die Wohnung ist Flachdach – begehbar!
Ich habe dort Blumenkästen aufgestellt.
Einerseits wegen der Trostlosigkeit der Teerpappdächer drum herum.
Andererseits züchte ich darin Klee!
Ich hoffe, folgendem auf die Spur zu kommen:
Wie kommt Kuhscheiße aufs Dach?
Gitterstäbe
Ich kannte mal einen,
der spießte immer einen Vogel
auf die Spanischen Reiter seines Gartenzauns.
Er meinte, daß würde die Vögel davon abhalten,
aus seinem Garten die Kirschen zu klauen!
Ich habe Gitterstäbe vor den Fenstern,
damit nicht so ein böser Bube durchs Fenster steigt,
mir meine Waschmarken aus dem Sparschwein klaut.
Ich frage mich manchmal,
ob sich das lohnt,
dafür den Mond hinter Gittern zu sehen?
Tschernobyl
Wer sagt’s denn, dass der Kommunismus
nicht alle strahlen lässt.
Wer anders hätte den Beweis erbringen können,
dass der GAU doch möglich ist,
wieder der Wahrscheinlichkeit,
als ein Land, dass sich dem
dialektischem Materialismus verpflichtet fühlt?
Es zeigt sich,
auch hier hinkt der Kapitalismus
hoffnungslos hinterher!
Die unfreiwillige Komik
dieses Treppenwitzes der Geschichte
ist allerdings,
dass der Kapitalismus aus
den Fortschritten des Sozialismus,
GAUmäßig betrachtet,
offensichtlich nicht in der Lage ist
zu lernen.
Vorweihnachtszeit
Weihnachtsmänner grüßen wieder
den der Geld hat. Lieder
klingen und die lieben Kassen auch.
Neulich in der U-Bahn fiel der
blonde Engel nieder
auf den engelsüßen Bauch.
Als die Ambulanz kam,
hatte ich sie längst im Arm.
Alte Omas schwingen Besen,
war der Nikolaus gewesen,
der ihnen ihre Rente stahl.
Draußen auf den Wegen
fällt Schneeregen,
die Bäume stehen stumm und kahl.
Nur die Tannenbäume blinken
und die Reklametafeln winken.
Langer Samstag im Advent.
Was man diese Jahr bloß schenkt?
Herzinfarkt, Dreivierteltakt.
Julia mit blondem Haar,
ich guck ihr zu, der Julia,
wie sie Haselnüsse knackt
und frag sie um
eine Tasse Tee mit Rum.
Großstadtdreck
Der Winter hat seine Krallen in die Stadt geschlagen,
die Hunde haben wie immer nur darauf gespisst.
Die Penner haben sich in die Kneipen zurückgezogen
und nur du fragst dich noch wer du bist.
Es dämmert bereits, du bist gereizt!
Als dann noch ein Stück Satellit,
als Sternschnuppe verkleidet,
dir beinah einen Scheitel zieht,
fühlst du dich sehr müde
und wirst ganz ruhig,
dann drehst du durch!
Du schlägst eine Schaufensterscheibe ein,
greifst dir ein Paket WEISSER RIESE,
steckst dir noch zwei Riegel Mars in die Taschen
und fängst an,
den ganzen dreckigen Schnee zu waschen.
Vor der U-Bahn stehen Bettelmönche
in safrangelb
tanzen, machen Musik
du gehst hin
und tanzt mit, tanzt mit…….
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Hauptstadt Berlin heute
Vertical Farming in Berlin
auf Dächern wächst Quinoa,
der Weinberg ist die Hausfassade,
nur weiß gestrichen wär zu schade.
Trend in der Stadt:
Vegan und grün,
klimatisch kühl.
Bau- Bau- Bauernhof in Berlin,
all- all- alles vertikal!
Mein Piano steht im Hühnerstall im vierten Stock.
Karpfen halten down im Keller,
im beheiztes Fischzuchtbecken,
schwimm man morgens nach dem Wecken.
In der Wohnung unter Lampen,
sich der Hanf die Blätter sonnt,
der dann in den Kuchen kommt.